Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz – Teil 01 – Der Immissionsschutz im BImSchG


1 Einführung

Das anlagenbezogene Immissionsschutzrecht ist aufgrund der gesetzgeberischen Zielsetzung ein komplexes Rechtsgebiet, das hohe Anforderungen an Anlagenbetreiber stellt. Obwohl sich in unterschiedlichen Rechtsmaterien und Gesetzestexten relevante Regelungen finden, bildet das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) mit seinen dazugehörigen Verordnungen das zentrale Regelwerk. Das BImSchG wird durch zahlreiche konkretisierende Rechtsverordnungen ergänzt. Hinzu kommen Vorschriften aus dem Naturschutz-, Umwelt-, Baurecht.

Ausgehend von einer Darstellung der gesetzgeberischen Ziele wird das BImSchG im Normengefüge zu europa- und landesrechtlichen Vorschriften der Anlagenbegriff verortet. Zudem werden die grundlegenden Begrifflichkeiten erläutert.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Begriff der immissionsschutzrechtlichen Anlagengenehmigung. Hier wird erklärt, welche Anlagen überhaupt einer Genehmigung bedürfen. Außerdem werden - neben der Vollgenehmigung - auch die möglichen weiteren Formen und behördlichen Entscheidungen vorgestellt.

Kernstück dieses Buches stellt das vierte Kapitel dar. Es beinhaltet eine umfangreiche Auseinandersetzung mit dem (förmlichen) Genehmigungsverfahren und eine Darstellung der formellen sowie materiellen Voraussetzungen. Dabei werden auch die Rechtsvorschriften außerhalb des BImSchG angeführt, deren Anforderungen im Rahmen der Genehmigungserteilung zu beachten sind.

Die beiden letzten Kapitel beschäftigen sich mit Situationen, die nach einer Genehmigungserteilung eintreten können. In Kapitel 5 wird dargestellt, welche Maßnahmen seitens der Behörde ergriffen werden können. Das sechste Kapitel beleuchtet die im Rahmen des Rechtsschutzes möglichen Reaktionen Privater sowie juristischer Personen gegen eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung.

2 Die Anlage im Immissionsschutzrecht

2.1 Der Immissionsschutz im BImSchG

Wie sich aus dem Titel des BImSchG sowie aus § 1 Abs. 1 BImSchG ergibt, liegt der primäre Zweck des BImSchG im Immissionsschutz. Das Gesetz weist daher zunächst die Zielsetzung auf, die durch Immissionen (zur Begrifflichkeit s.u., 2.1.2) bedingten Probleme zu bewältigen und ist damit dem Umweltrecht zuzuordnen.(Fußnote) Im Vordergrund steht dabei der Schutz vor Luftverunreinigungen und vor Lärm.

2.1.1 Geltungsbereich des BImSchG und Verhältnis zu anderen Rechtsordnungen

2.1.1.1 Geltungsbereich des BImSchG

Der sachliche Geltungsbereich des BImSchG wird in § 2 BImSchG definiert. Demnach unterteilt sich der Regelungsbereich dieses Gesetzes in

  • den anlagenbezogenen Immissionsschutz (Zweiter Teil des BImSchG, §§ 4 - 31a),
  • den produktbezogenen Immissionsschutz (Dritter Teil, §§ 32 - 37),
  • den verkehrsbezogenen Immissionsschutz (Vierter Teil, §§ 38 - 43),
  • die Überwachung und Verbesserung der Luftqualität (Fünfter Teil, §§ 44 - 47),
  • die Lärmminderungsplanung (Sechster Teil, §§ 47a - 47f).

Der anlagenbezogene Immissionsschutz betrifft gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG die Errichtung und den Betrieb von Anlagen. Dieser Teil ist wiederum untergliedert in die Vorschriften zu genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 4 - 21), nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen (§§ 22 - 25), sowie zur Ermittlung von Emissionen und Immissionen und zu sicherheitstechnischen Prüfungen (§§ 26 - 31a).

Wenn gleich diese in der Praxis die häufigste Anwendungsfall darstellen, erstreckt sich der anlagenbezogene Immissionsschutz nicht nur auf gewerbliche Anlagen, sondern ebenfalls auf solche des Bergbaus, der Land- und Forstwirtschaft und auf solche im Hoheitsbereich. Gleichzeitig legt § 2 Abs. 2 BImSchG fest, dass die Regelungen des BImSchG nicht für Flugplätze und atomrechtlich geregelte Anlagen gelten. Die Anwendung des BImSchG ist dann kategorisch ausgeschlossen.

Darüber hinaus sind die Normen des BImSchG auch dann nicht einschlägig, wenn sich aus bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zum Wasser- und Pflanzenschutz sowie zu Düngemitteln etwas anderes ergibt. Das BImSchG ist also nur subsidiär, d.h. hilfsweise anwendbar.

2.1.1.2 Schutzumfang des BImSchG
2.1.1.2.1 Allgemeine Schutzgüter des BImSchG

Das BImSchG dient zunächst dem Schutz der menschlichen Gesundheit im Sinne des Freiseins von Krankheit.(Fußnote) Darüber hinaus wird auch das körperliche, seelische und soziale Wohlbefinden geschützt.(Fußnote)

Zudem dient das Gesetz dem Schutz der Tiere und Pflanzen, unabhängig von deren Art und Nutzen sowie davon, ob sie sich in freier Natur bewegen(Fußnote) sowie dem Schutz von Kultur- und sonstigen Sachgütern. Schließlich umfasst das BImSchG auch den Schutz des Bodens (im Sinne des § 2 BBodSchG), des Wassers und der Atmosphäre. Der Schutz des Menschen genießt allerdings einen höheren Rang als der Schutz anderer Rechtsgüter.(Fußnote)

2.1.1.2.2 Integrierter Umweltschutz bei genehmigungsbedürftigen Anlagen

Die europäische Richtlinie 2010/75/EG über Industrieemissionen verlangt einen medienübergreifendenund integrierten Umweltschutz. Die Umsetzung der Richtlinienvorgabe ist in § 1 Abs. 2 BImSchG verankert. Schädliche Einwirkungen auf die einzelnen Umweltmedien sollen nicht isoliert, sondern im Rahmen eines übergreifenden Schutzkonzeptesbetrachtet werden, damit ein Schutzgut nicht zulasten eines anderen gänzlich vernachlässigt wird und auch Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medien mitberücksichtigt werden können.(Fußnote)

2.1.1.2.3 Schutz und Vorsorge gegen sonstige Einwirkungen von genehmigungsbedürftigen Anlagen

Ein umfassender Schutz und die entsprechende Vorsorge werden bei genehmigungsbedürftigen Anlagen dadurch gewährleistet, dass auch sonstige nicht emissionsbedingte physikalische Einwirkungeneinbezogen sind.(Fußnote) Darunter fallen vor allem der unmittelbare Schadstoffaustritt in Boden und Wasser, aber auch Störfälle.(Fußnote)

2.1.1.3 Die Verordnungen zum BImSchG

§ 7 Abs. 1 BImSchG ermächtigt die Bundesregierung zum Erlass von konkretisierenden Rechtsverordnungen in Anknüpfung an die materiell-rechtlichen Verpflichtungen aus den Grundpflichten des § 5 BImSchG.(Fußnote) Immissionsschutzrechtliche Bundesverordnungen, die für eine Genehmigung relevant sind, werden unter 4.2.1.1.2 erläutert.

2.1.1.4 Verhältnis des BImSchG zu internationalem Recht, EU-Recht und Landesrecht

Rechtsvorschriften der EU genießen grundsätzlich Vorrang vor dem deutschen Recht,(Fußnote) wenn sie unmittelbare Geltung oder unmittelbare Wirkung entfalten.(Fußnote) Verordnungen gelten gemäß Art. 288 Abs.2 AEUV generell unmittelbar. Richtlinien sind dagegen gemäß Art. 288 Abs.3 AEUV an die Mitgliedstaaten adressiert und erlangen innerdeutsche Bedeutung grundsätzlich erst mit ihrer Umsetzung durch deutsche Rechtsvorschriften.

Das für den Immissionsschutz und für die Anlagenerrichtung bzw. den -betrieb relevante EU-Recht ist zwar umfangreich, jedoch in überwiegendem Maße durch Richtlinien geregelt und daher bereits in das nationale Recht umgesetzt. Maßgebliche Verordnungen sind hingegen etwa

  • die Verordnung (EG) 1005/2009 vom 16.9.2009 über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschichtführen(Fußnote) und
  • die Verordnung (EG) Nr.166/2006 vom 18.1.2006 über die Schaffung eines Europäischen Schadstofffreisetzungs- und -verbringungsregisters(Fußnote).

Den EU-rechtlichen Vorgaben zum Immissionsschutz kommt insbesondere große Bedeutung im Bereich des Rechtsschutzes zu, weil der Europäische Gerichthof (EuGH) ihnen in deutlich höherem Maß drittschützende Wirkung zu erkennt als dies im deutschen Bereich geschieht.(Fußnote) So vermitteln alle EU-Normen, die die „Reduzierung der Luftverschmutzung und damit den Schutz der Gesundheit bezwecken“, subjektive Rechte.(Fußnote) Die Aspekte des Rechtsschutzes werden in Kapitel 6 dargestellt.

Die landesrechtlichen Immissionsschutzgesetze stellen die Anwendbarkeit des BImSchG im jeweiligen Bundesland fest und dienen im Wesentlichen dazu, die zuständigen Landesbehörden zu bestimmen (zu den zuständigen Genehmigungsbehörden in den einzelnen Bundesländern s. u., 4.1.1).


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Die Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz“ von Olaf Bühler, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, und Niklas Gatermann, LL.M. of German and Polish Law und deutsche Rechtswissenschaften an der Europa-Universität Viadrina, Magister des Polnischen Rechts an der Adam-Mickiewicz-Universität Poznan, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2016, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-58-8.


 

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Stand: Januar 2016


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