Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine – Teil 09 – Die „50+1“-Regelung im Profifußballsport

2.3.4. Exkurs: Die „50+1“-Regelung im Profifußballsport

1998 wurde von dem Deutschen Fußball Bund (DFB) beschlossen, dass von diesem Zeitpunkt an auch die in Kapitalgesellschaften ausgegliederten Lizenzspielerabteilungen bzw. sogenannten Profifußballabteilungen eine Teilnahme an dem Bundesligawettbewerb zu erlauben ist. Zuvor galt in der, vom DFB, festgelegten Satzung, dass lediglich eingetragene Vereine (e.V.) und Mitglieder des DFB eine Mannschaft für den Bundesligaprofifußballbetrieb anmelden konnten.(Fußnote)

Den einzelnen Klubs steht es seither also frei, ob sie die eigene Profiabteilung vom jeweils eingetragenen Verein ausgliedern und sich diese Abteilung dann in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG), einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) oder einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Co. Kommanditgesellschaft auf Aktien (GmbH & Co. KGaA) organisiert, oder ob die Profiabteilung weiterhin als Teil des eingetragenen Vereins zählt und keiner Ausgliederung unterfallen soll. Auch wenn sich der jeweilige Verein für eine Ausgliederung der Profiabteilung entscheidet, bedeutet dies nicht, dass mit einer solchen Entscheidung eine Abkehr bzw. eine Vernachlässigung vom Grundsatz, nämlich dem, dass der Lizenzfußball grundsätzlich von einem eingetragenen Idealverein betrieben werden soll, erfolgt.

Diesem Bestreben wird vor allem durch die sogenannte „50+1“- Regelung Ausdruck verliehen.(Fußnote)

2.3.4.1. Grundlagen der „50+1“-Regelung

Die „50+1“-Regelung weist einen sogenannten doppelten Regelungsgehalt auf:

  • Zum einen umfasst sie das Gebot der mehrheitlichen Beteiligung des „Muttervereins“ an der ausgegliederten Kapitalgesellschaft

Unter „Mutterverein“ versteht man den Verein, der über eine eigene Fußballabteilung verfügt und diese in eine Kapitalgesellschaft ausgegliedert bzw. umgewandelt hat, wobei der Rest des Vereins im Sinne eines eingetragenen Vereins weiterhin erhalten bleibt.

  • Zum anderen enthält die „50+1“-Regel das Verbot, dass sich vereinsfremde Investoren mehrheitlich an deutsche Fußball- Kapitalgesellschaften beteiligen

Aus diesem sogenannten doppelten Regelungsgehalt folgt, dass eine Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur dann eine Lizenz für die entsprechende Lizenzliga und damit die Mitgliedschaft im Ligaverband erwerben kann, wenn ein eingetragener Verein (e.V.) mehrheitlich an eben dieser Kapitalgesellschaft beteiligt ist und keine vereinsfremden Investoren diese Mehrheit besitzen.

Eine solche mehrheitliche Beteiligung eines Vereins (Muttervereins) an einer Kapitalgesellschaft ist in Zahlen ausgedrückt grundsätzlich dann vorliegend, wenn der Verein über 50% der Stimmanteile zuzüglich mindestens eines weiteren Stimmanteils in der Versammlung der Anteilseigner verfügt.(Fußnote)

2.3.4.2. Beispiele von Vereinen in der 1. Bundesliga mit ausgegliederter Profifußballabteilung

  • Hertha BSC GmbH & Co. KGaA
  • Werder Bremen GmbH & Co. KGaA
  • FC Augsburg 1907 GmbH & Co. KGaA
  • Borussia Dortmund GmbH & Co. KGa
  • A1. FC Köln GmbH & Co. KGaA
  • Hannover 96 GmbH & Co. KGaA
  • FC Bayern München AG
  • Eintracht Frankfurt AGH
  • SV Fußball AG
  • TSG Hoffenheim Fußball- Spielbetriebs GmbH
  • FC Ingolstadt Fußball GmbH
  • Bayer 04 Leverkusen Fußball GmbH
  • Borussia VfL Mönchengladbach GmbH
  • VfL Wolfsburg Fußball GmbH

Festzuhalten ist, dass in der aktuellen Bundesligasaison 2015/ 2016 lediglich vier Klubs vertreten sind, die ihre Profifußballabteilung (noch) nicht ausgegliedert haben.

Darunter zählen:

  • 1. FSV Mainz 05
  • FC Schalke 04
  • SV Darmstadt
  • VfB Stuttgart

2.3.4.3. Sinn und Zweck der „50+1“- Regelung

Hauptzweck der „50+1“- Regelung ist vor allem derjenige, dass die beherrschende Kontrolle einer ausgegliederten Profiabteilung eines Vereins, trotz der vorhanden rechtlichen und wirtschaftlichen Abspaltung, weiterhin beim „Mutterverein“ verbleibt und nicht in die Hände von vereinsfremden Personen bzw. Investoren fällt.(Fußnote) Hierbei ist zu beachten, dass die Regel allein auf die Mehrheit der einzelnen Stimmrechte abzielt, jedoch nichts über die Anteilsmehrheit aussagt. Es gibt unterschiedliche Kapitalgesellschaftsformen von ausgegliederten Profiabteilungen.

Im Folgenden sind die einzelnen Unterschiede und Auswirkungen der „50+1“-Regelung hinsichtlich der wichtigsten Kapitalgesellschaftsformen kurz aufgeführt:

  • Bei der Aktiengesellschaft (AG)

Durch die „50+1“-Regelung ergibt sich bei einer AG eine sogenannte Sperrminorität.

Unter einer Sperrminorität versteht man die Möglichkeit einer vorhanden Minderheit bzw. einer Gruppe, mit mehr als 25% und weniger als 50% Stimmanteil, bei einer Abstimmung einen bestimmten Beschluss zu verhindern. Somit können aufgrund der „50+1“-Regelung und die daraus resultierende Stimmrechtverteilung, Beschlüsse, für die eine qualifizierte Mehrheit von 75% notwendig sind, wie bspw. bei satzungsändernden Beschlüssen (z.B.: Sitzverlegung, Auflösung, Erhöhung des Grundkapitals, etc.), von der Minderheit verhindert werden.

Entscheidender Aspekt ist in diesem Zusammenhang allerdings derjenige, dass durch die Regelung die vorhandenen Fremdinvestoren keinen alleinigen Entscheidungseinfluss auf satzungsändernde Beschlüsse haben können.(Fußnote)

  • Bei der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Bei der Ausgliederung der Profiabteilung zur GmbH, kann der „Mutterverein“ durch die „50+1“-Regelung vor allem den Geschäftsführer unmittelbar bestimmen, da die erforderliche Stimmenmehrheit gegeben ist.(Fußnote)

Aufgrund dieser Möglichkeit kann der „Mutterverein“ enormen Einfluss auf die Tätigkeit und Handlung des Geschäftsführers und somit sowohl auf die unternehmerische (wirtschaftliche), als auch auf die sportliche Entscheidungsbefugnis nehmen.(Fußnote)

  • Bei der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA)

Bei einer KGaA kommt es oft vor, dass die Stellung des Komplementärs – welcher als persönlich haftender Gesellschafter einer KG gilt – durch eine GmbH übernommen wird.

Hierbei ist es dann erforderlich bzw. oft der Fall, dass der „Mutterverein“ an dieser Zwischengesellschaft sämtliche Anteile bzw. Stimmrechtanteile hält, damit der jeweilige Verein im höchstmöglichen Ausmaß Einfluss auf die ausgegliederte Kapitalgesellschaft ausüben kann.(Fußnote)

2.3.4.4. Auswirkungen der „50+1“-Regelung

Die Festlegung der vorliegenden „50+1“-Regelung durch den deutschen Fußballverband im Lizenzfußball bei ausgegliederten Profiabteilungen hat zur Folge, dass in den als Kapitalgesellschaften organisierten Klubs die Stimmanteile gegenüber den Anteilsmehrheiten einer Gesellschaft enorm und untypischerweise auseinanderfallen.

Dies war bspw. bei dem Bundesligaverein TSG 1899 Hoffenheim Anfang des Jahres 2015 der Fall. Hier hatte der Verein, getreu der „50+1“-Regel die Mehrheit in der Gesellschaftsversammlung der ausgegliederten GmbH. Trotzdem hielt bzw. hält heute noch der Großinvestor Dietmar Hopp 96% (2,4 Millionen Euro) der Kapitalanteile. Im Gegensatz hierzu hält der Verein TSG 1899 Hoffenheim lediglich 4% (0,1 Millionen Euro).

Folglich ist festzuhalten, dass die „50+1“-Regelung zwar eine Vorgabe bezüglich der Stimmrechte und Stimmanteile in der Versammlung gibt, nichts jedoch über den entsprechenden Kapitalanteil der jeweiligen Kapitalgesellschaft aussagt. Großinvestoren können demnach auch in Deutschland Vereine bzw. ausgegliederte Abteilungen im kapitalen bzw. wirtschaftlichen Sinn „besitzen“.

2.3.4.5. Ausnahmeregelungen der „50+1“- Regelung

Die „50+1“-Regelung enthält allerdings auch Ausnahmeregelungen. Hierbei ist vor allem eine Regelung entscheidend, womit die vorliegende Regelung quasi auf legaler Weise ausgehebelt bzw. gekippt werden kann.

Nach dieser Regelung ist es vorgesehen bzw. erlaubt, dass eine mehrheitliche Beteiligung des „Muttervereins“ an der ausgegliederten Profiabteilung dann nicht mehr notwendig bzw. erforderlich sei, wenn die vereinsfremden Investoren, Mäzen oder Unternehmen mindestens 20 Jahre den Fußballsport bzw. den entsprechend zu unterstützenden Sport eines „Muttervereins“ ununterbrochen und erheblich gefördert haben.(Fußnote)

Ein einschlägiges Beispiel, ist das der TSG 1899 Hoffenheim. Hier war es Anfang 2015 der Fall, dass die Mitglieder und Klubangehörigen bei der Mitgliederversammlung, dem Antrag auf alleinige Stimmrechtmehrheit durch den Mäzen Dietmar Hopp zustimmten. Durch die von der Deutschen Fußball Liga (DFL) erteilte Ausnahmegenehmigung und der Zustimmung des DFB, welche bei solchen Ausnahmeentscheidungen maßgebend und erforderlich sind, stand der „Regelungsumgehung“ der „50+1“-Regel nichts mehr im Weg.

Der Zustimmung hinsichtlich der Erlaubnis dieser Sondergenehmigung, lag die seit über 20 Jahre investierte Summe i.H.v. ca. 350 Millionen Euro, welche Dietmar Hopp in den Verein TSG 1899 Hoffenheim investierte. Mit dieser Ausnahmeregelung könnte man vermuten, dass die Bundesliga den anderen europäischen Ligen gefolgt ist und für vereinsfremde Investoren „geöffnet“ wurde.

Dieser Anschein täuscht, da, trotz der Ausnahmeregelung, die vorhandenen Schwierigkeiten bzw. hohen Anforderungen, bezüglich des Erhalts einer solchen Erlaubnis, entsprechend vorliegend sind und eingehalten werden müssen.(Fußnote)

2.3.5. Zusammenfassung

Sowohl der Sitz, als auch der Name des einzelnen Vereins sind u.a. Teilaspekte, deren Aufführung in der jeweiligen Satzung ohne Ausnahme enthalten sein muss. Der Sportverein tritt grundsätzlich als Idealverein – eingetragen im Vereinsregister mit dem entsprechenden Zusatz e.V. – auf.

Durch den stetigen Anstieg und die ständige Weiterentwicklung, sowohl in sportlicher als auch finanzieller Hinsicht, ist es folglich nur logisch, dass sogenannte Umwandlungen der jeweils möglichen Rechtsformen für einen Verein keine Ausnahme mehr bilden. Die finale Wahl der Rechtsform einer Umwandlung oder Ausgliederung eines Vereins ist jedoch stark situationsabhängig. Vor allem sind die jeweiligen Zielsetzungen sowie die Voraussetzungen der einzelnen Vereine bei der Entscheidung über Rechtsformen ausschlaggebend.

Ist die Kapitalbeschaffung nicht primäres Ziel eines Vereins, so empfiehlt sich die Rechtsform der GmbH. Für Vereine mit geringem Eigenkapital und fehlenden externen Kapitalgebern, empfiehlt sich hingegen die GmbH & Co. KG. Die Umwandlung des Vereins oder einer (Profi-) Abteilung in eine AG ist hingegen nur dann sinnvoll und überlegenswert, wenn erhebliches Kapital bereits zur Verfügung steht.(Fußnote) Woher dieses Kapital kommt ist unterschiedlich und vor allem durch die entsprechende Weiterentwicklung des Sports, nicht mehr durch bloße Mitgliedsbeitragseinnahmen zu erklären.

Sponsorenleistungen, Sportveranstaltungen sowie private Investoren sind in dem heutigen Vereinssystem nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil, die Entwicklung bewegt sich immer mehr in Richtung Unternehmensführung, was den Idealverein in Vergessenheit und vor allem das Wirtschaftsunternehmen in den Vordergrund rückt.

Deshalb werden bei den, mittlerweile immer mehr werdenden, ausgegliederten Profiabteilungen, die in Form einer Kapitalgesellschaft vorzufinden sind, eine Teilnehmerberechtigung für die Bundesligawettbewerbe nur unter Voraussetzung gewährt, dass der zugrundeliegende „Mutterverein“ an der entsprechenden Gesellschaft mehrheitlich beteiligt ist.

Hierbei hat die sogenannte „50+1“-Regel das Ziel zur Folge, dass die beherrschende Kontrolle vor allem bei den Idealvereinen (e.V.) verbleibt und nicht in die Hände vereinsfremder Investoren fällt.


Dieser Beitrag ist entnommen aus dem Buch „Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine“ von Michael Kaiser, auf Vertriebsrecht spezialisierter Rechtsanwalt, und Franco Caputo, wissenschaftlicher Mitarbeiter, mit Fußnoten erschienen im Verlag Mittelstand und Recht, 2015, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0.


 

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Stand: Januar 2015


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  • Sportrecht – Eine Einführung für Sportler und Vereine, Michael Kaiser und Franco Caputo, 2015, Verlag Mittelstand und Recht, www.vmur.de, ISBN 978-3-939384-54-0


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